Samstag, 20. Februar 2010

Das Leben des Vater Daniel Alekseyevich Sysojew


(12.01.1974-20.11.2009)

In seinen eigenen Worten ausgedrückt, war er „halber Russe und halber Tatar. Sein Vater Aleksej Sysojew, ebenfalls Priester, dient in der Kirche der hll. Peter und Paul in Yasenevo. Außerdem arbeitet er als Direktor am klassisch-orthodoxen Gymnasium der Kirche des hl. Apostels Johannes in Yasenevo. Seine Mutter, Anna Midhatovna Amirov, unterrichtet orthodoxen Religionsunterricht an der gleichen Schule.
Im Jahre 2000 absolvierte Vater Daniel die Moskauer Theologische Akademie, mit einer Kandidatura1 in Theologie. Das Thema seiner Abschlußarbeit lautete: Die Lehre der Siebenten-Tag-Adventisten und der Wachturm-Gesellschaft2 und deren Bewertung.
1994 wurde er zum Lektor geweiht und begann seine geistliche Laufbahn. Ein Jahr später wurde er zum Diakon, und 2001 zum Priester geweiht. Er heiratete und hatte drei Töchter. Vater Daniel Sysojew missionierte aktiv unter den Muslimen und bekehrte zahlreiche zum orthodoxen Glauben. Gegenüber Yoga-Übungen, lateinamerikanischen Tänzen und Bauchtanz nahm er eine kritische Stellung ein und ermahnte die Christen sich von derartigen Übungen fernzuhalten. Auch stand er der darwinistischen Evolutionstheorie äußerst kritisch gegenüber.
Vater Daniel war Vorsteher der Gemeinde zum hl. Thomas. Er entwickelte eine aktive Missionsbewegung, welche auch Schulungen für orthodoxe Straßenmissionare durchführte. Die Aufgabe der Straßenmissionare besteht darin, Menschen direkt auf der Straße anzusprechen und für die Orthodoxie zu gewinnen.
Am 19 November 2009 wurde Daniel Sysojew in der Kirche des hl. Thomas durch zwei Schüsse aus einer Pistole (nach anderen Aussagen wurden vier Schüsse auf ihn abgegeben) tödlich verwundet. Dem maskierten Angreifer gelang es zu entkommen. Am 20. November um 0:20 Uhr Moskauer Zeit, verstarb Vater Daniel auf dem Operationstisch des Krankenhauses.
Zur Zeit gehen die Untersuchungsbehörden davon aus, daß das Motiv, welches den Mörder zu dem Verbrechen veranlasste, in dessen religiöser Motivation zu finden ist. Bereits früher erhielt Vater Sysojew Drohungen von unterschiedlichen extremistischen Gruppen. Innerhalb der Moskauer Geistlichkeit war Vater Daniel eine durchaus bekannte Person, kreativ und energisch, ein echter Prediger und Missionar! Ich denke, daß er aufgrund seiner konsequenten Ansichten ermordet wurde, sagte Vater Wladimir Vigilyansky, ein Sprecher des Moskauer Patriarchats. Und in der Tat, erwähnte Priester Sysojew selbst, daß er bereits 14 verschiedene Todesdrohungen erhalten hatte.

Die Kirche des heiligen Apostel Thomas

Im Jahre 2005 wurde der Gemeinde von Vater Sysojew 0,5 Hektar (westl. knapp 1,25 Hektar) Bauland, nahe der U-Bahn-Station Kantemirovskaya an der Zamoskvoretskaya-Linie, für den Bau einer steinernen Kirche, welche dem Propheten Daniel geweiht werden sollte, von der Moskauer Stadtregierung zur Verfügung gestellt. November 2006 hatte die Gemeinde das Baugrundstück von Gestrüpp und Geröll befreit und errichtet als Übergangslösung eine dem heiligen Apostel Thomas geweihte Holzkirche. Die sehr aktive Gemeinde hält Kurse für Missionare, erteilt Gesangsunterricht, unterhält Ikonographie-Klassen sowie eine Pfadfindergruppe. Im Jahre 2009, vier Jahre nach der Zuteilung des Baulands, glaubte das Umweltamt der Stadt Moskau, daß die Gemeinschaft gegen das Umweltschutzgesetz verstoßen habe, da viele Leute die Auen des Flusses Chertanovka zum unerlaubten Abladen von Bauschutt mißbraucht hatten. So erklärte das Ministerium kurzerhand, daß auf diesem Land nun ein Park sowie ein Naturschutzgebiet entstehen solle und der Bau einer Kirche demselben irreparable Schäden zufügen würde, da es sich um einen einzigartigen natürlichen Lebensraum handle. Nach neuen öffentlichen Anhörungen zur aktuellen Gesamtplanung forderten die Anwohner, daß eine Kirche zu einem Teil des Entwurfs des Strukturplans werden solle. Schließlich erklärte der stellvertretende Präfekt der YuVAO im August 2009, daß er grundsätzlich den Bau einer Kirche im Kantemirov Bezirk genehmige.

Kritik

Im Jahre 2007 klagte der zweite Vorsitzende des Rates der Muslime in Rußland, Mufti Nafigulla Ashirov, vor Gericht gegen Vater Daniel wegen dessen Buch „Ehe mit einem Muslim“, daß, wie er anführte, eine Beleidigung für Muslime darstellt. Auch der Journalist Khalida Khamidulina reichte vor Gericht eine Klage gegen Vater Daniel ein, weil dessen Veröffentlichungen angeblich Hass gegen den Islam verbreiten würden. Zur gleichen Zeit, äußerten Neonazi-Gruppen ihre Unzufriedenheit mit Vater Daniels Ansichten. Aufgrund seiner anti-monarchistischen Positionen wurde er außerdem noch in ultra-orthodox-rechtsradikalen Publikationen kritisiert. Dazu kommen noch einige Wortführer aus Kreisen der Alt-Ritualisten3, die Daniel Sysojew negativ beurteilten. Sie glaubten, er habe in seinen Veröffentlichungen über die Alt-Ritualisten, „die alte orthodoxe Kirche verleumdet“ und damit ihren Glauben angegriffen.4 Sie warfen ihm vor, er habe die historischen Tatsachen verzerrt und falsch beurteilt.
(1) Der Titel Kandidat ist ein Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, in etwa vergleichbar mit einem Doktor der Philosophie im Westen, jedoch ein wenig anspruchsvoller und strikter als der Ph. D. Anm. d. Übersetzers. 
(2) Die Wachtturm-Gesellschaft (WTG) ist die organisatorische Haupteinrichtung der Zeugen Jehovas.
(3) Welche im Westen oft fälschlicherweise als Altgläubige bezeichnet werden.
(4) Die sogenannte „Alte orthodoxe Kirche“, steht mit keiner anerkannten orthodoxen Kirche vor Ort in Gemeinschaft. Diese trennten sich zwischen 1666 und 1677 von der russisch-orthodoxen Kirche, wegen der liturgischen Reformen des damaligen Patriarchen Nikon. Im Jahre 1694 hielten die „Altgläubigen“ in Novgorod ihr ersten Konzil ab. Zu diesem Zeitpunkt herrschte noch eine weitgehende Einigkeit unter ihnen. Doch später spalteten Sie sich in die beiden Hauptrichtungen, der Gemeinden mit Priestern, den Popowzen und den Priesterlosen, den „Pomorischen“. Aus diesen beiden Hauptrichtungen gingen viele weitere einzelne Sekten hervor. (siehe auch: Peter Hauptmann: Rußlands Altgläubige. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2005. S. 209 ff.).
Zahlreiche Ähnlichkeiten wie bspw. die Gesänge und die Ikonen, können dazu führen, daß unbedarfte, an der orthodoxen Kirche interessierte Personen, diese mit der Orthodoxie verwechseln, doch sind sie faktisch eher orthodoxe „Protestanten“ und sollten nicht mit der einen orthodoxen Kirche verwechselten werden. (Anm. d. Übersetzers)

Buchveröffentlichung Vater Daniels

  1. Прогулка протестанта по православному храму (Eine Wanderung von der protestantischen zu orthodoxen Kirche) (Moskau, 2003, 144 Seiten) ISBN 5-94264-009-2 (Anm. des Herausgebers: In diesem Zusammenhang ist mit „Kirche” (khram) nicht die „Kirche“ (tserk) als solches, sondern das „Kirchengebäude“ gemeint.

  2. Брак с мусульманином (Ehe mit einem Muslim) (Moskau, 2006) ISBN 5-98988-007-3
 

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