Das orthodoxe Kirchenvolk steht kurz vor Beginn der Großen Fastenzeit. Wie jedes Jahr, kommt wieder die Aufforderung: „Kehrt um!“ (Mt 4, 17).
Die Große Fastenzeit ist aber erst in zweiter Instanz eine Forderung zum Verzicht auf Nahrung. Wichtiger als der reine Verzicht, ist eine Umkehr in Reue. Es ist ein Aufruf zur geistlichen Besinnung: „In der Hetze des Alltagslebens finden wir keine Zeit darüber nachzudenken, und wir lassen uns ganz einfach zu dem Schluß verleiten, daß all das, was wir während der Fastenzeit tun müssen, nur darin bestünde, uns bestimmter Speisen zu enthalten, unsere ,Vergnügungenʻ einzuschränken, zur Beichte zu gehen, um von einem Priester die Lossprechung zu erlangen, die heilige Kommunion (einmal im Verlauf des Jahres!) zu empfangen und uns sodann, als völlig „in der Ordnung stehend“ bis zum folgenden Jahr zu wähnen.“1
Dem entgegen setzt Protopresbyter Alexander Schmemann, daß es die erste Pflicht eines jeden orthodoxen Christen ist, die Lehre der Kirche über den Sinn der Fastenzeit zu verstehen und nicht nur dem Namen nach, sondern vor allem im gesamten Vollzug des Lebens, ein wahrhaftiger orthodoxer Christ zu sein.
Nun erlaube ich mir, so kurz vor dem Beginn der Großen Fastenzeit, einen römisch-katholischen zu Wort kommen zu lassen. Einen, der bereits vielen Lesern Bauchschmerzen bereitete: den einen vor Lachen, dem anderen vor Erschrecken. Der französisch-katholische Freund der spitzen Feder, Léon Bloy, schrieb herrlich passendes – und wie ich finde – hervorragend an die oben stehenden Worte Alexander Schmemanns anknüpfend, über die reine Erfüllung der religiösen Pflichten, in seinem, mit gewohnt spitzer Feder verfasstem köstlichen Büchlein Dem Teufel aufs Maul geschaut.
Bloy ist wahrlich kein Freund der seichten Worte, er spricht „Tacheles“. Doch läßt er es auch zwischen den Zeilen nicht an feiner Ironie mangeln. Hierin ähnelt er seinem – gleichfalls „reaktionären“ – Landsmann Joseph de Maistre in erstaunlicher Weise.
So mag dem einen das gleich Folgende schwer verdaulich – wie so manche wenig den Gaumen schmeichelnde Fastenspeise – erscheinen, dem anderen ein wenig zu unsensibel – einem dritten aber mag es als eine Handreichung zur Umkehr dienen. Eines aber ist es mit Sicherheit: Ein Volltreffer, in die die gemütlich-bürgerliche Gedankenwelt, ein Aufrüttler für die Lauen par excellence.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete heilige Große Fastenzeit!
Dem entgegen setzt Protopresbyter Alexander Schmemann, daß es die erste Pflicht eines jeden orthodoxen Christen ist, die Lehre der Kirche über den Sinn der Fastenzeit zu verstehen und nicht nur dem Namen nach, sondern vor allem im gesamten Vollzug des Lebens, ein wahrhaftiger orthodoxer Christ zu sein.
Nun erlaube ich mir, so kurz vor dem Beginn der Großen Fastenzeit, einen römisch-katholischen zu Wort kommen zu lassen. Einen, der bereits vielen Lesern Bauchschmerzen bereitete: den einen vor Lachen, dem anderen vor Erschrecken. Der französisch-katholische Freund der spitzen Feder, Léon Bloy, schrieb herrlich passendes – und wie ich finde – hervorragend an die oben stehenden Worte Alexander Schmemanns anknüpfend, über die reine Erfüllung der religiösen Pflichten, in seinem, mit gewohnt spitzer Feder verfasstem köstlichen Büchlein Dem Teufel aufs Maul geschaut.
Bloy ist wahrlich kein Freund der seichten Worte, er spricht „Tacheles“. Doch läßt er es auch zwischen den Zeilen nicht an feiner Ironie mangeln. Hierin ähnelt er seinem – gleichfalls „reaktionären“ – Landsmann Joseph de Maistre in erstaunlicher Weise.
So mag dem einen das gleich Folgende schwer verdaulich – wie so manche wenig den Gaumen schmeichelnde Fastenspeise – erscheinen, dem anderen ein wenig zu unsensibel – einem dritten aber mag es als eine Handreichung zur Umkehr dienen. Eines aber ist es mit Sicherheit: Ein Volltreffer, in die die gemütlich-bürgerliche Gedankenwelt, ein Aufrüttler für die Lauen par excellence.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete heilige Große Fastenzeit!
Ihr Gregor Fernbach
1 Alexander Schmemann. Die große Fastenzeit. München: Institut für orthodoxe Theologie, 1994. S. 8
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Seine religiösen Pflichten erfüllen
von Léon Bloy
von Léon Bloy
Bei dem Wort erfüllen muß ich an das durchlöcherte Faß der Danaiden2 denken. Parabel oder Gleichnis. Sind die, die ihre religiösen Pflichten erfüllen, in diesem Sinne nicht eine Schar Verdammter, verurteilt zu einer Arbeit, deren Vergeblichkeit sie einsehen? So abgestumpft diese Galeerensklaven der Konvention und Gewohnheit auch sein mögen, so müssen sie doch erkennen, daß hier das Wort erfüllen nur Spott und Hohn bedeutet, und daß sie nichts, ganz und gar nichts erfüllen. Wie könnte durch sie, die selber leer sind, anderes als Leere geschaffen werden? Religiöse Pflichten, gesellschaftliche Pflichten, Staatspflichten, Bürgerpflichten, Unterhaltspflichten, lauter durchlöcherte Fässer. Vacuitas vacuitatum. Die Weltmenschen, die ihre religiösen Pflichten damit erfüllen, daß sie bestimmte unerläßliche Gesten vollführen, ohne nur eine Minute daran zu denken, daß Heiligkeit von ihnen verlangt wird, von welchen Insekten werden Sie am Tage des Gerichts nicht verurteilt und verdammt werden?
Früher, in längst vergangenen Zeiten, als es diesen Gemeinplatz3 nicht gab, begehrte man „die Fülle der Zeit Christi“, nach dem geheimnisvollen Ausdruck des Apostels, der beauftragt war, die Völker zu lehren und selber zum unausschöpfbarem Gefäß wurde. Man verachtete jede andere Fülle; man ließ sich in Stücke hacken und wilden Tieren zum Fraß vorwerfen, und die Kälter der Märtyrer füllten die Kufen der Freude, die nicht enden soll.
Heute hat man mehr Sinn für volle Dispenserteilung4 und volle Mägen an Festtagen. An die dreißig Arten Wassergeflügel sind als Fastenspeise erlaubt und den Fischen gleichgestellt. Die Ente hat über den Stockfisch den Sieg davongetragen, aber die arme Religion ist es, die todwund auf dem Schlachtfeld liegt.
Aus: Léon Bloy. Den Teufel aufs Maul geschaut. Entlarvte Gemeinplätze. Freiburg: Herder, 1962. S. 99 f.
Früher, in längst vergangenen Zeiten, als es diesen Gemeinplatz3 nicht gab, begehrte man „die Fülle der Zeit Christi“, nach dem geheimnisvollen Ausdruck des Apostels, der beauftragt war, die Völker zu lehren und selber zum unausschöpfbarem Gefäß wurde. Man verachtete jede andere Fülle; man ließ sich in Stücke hacken und wilden Tieren zum Fraß vorwerfen, und die Kälter der Märtyrer füllten die Kufen der Freude, die nicht enden soll.
Heute hat man mehr Sinn für volle Dispenserteilung4 und volle Mägen an Festtagen. An die dreißig Arten Wassergeflügel sind als Fastenspeise erlaubt und den Fischen gleichgestellt. Die Ente hat über den Stockfisch den Sieg davongetragen, aber die arme Religion ist es, die todwund auf dem Schlachtfeld liegt.
Aus: Léon Bloy. Den Teufel aufs Maul geschaut. Entlarvte Gemeinplätze. Freiburg: Herder, 1962. S. 99 f.
2Als Danaiden werden in der griechischen Mythologie jene 50 Töchter des Ahnherrn aller Griechen, des Königs Danos von Libyen, die auf Befehl des Königs alle, bis auf Hypermnestra, in der Brautnacht ihre jungen Ehemänner, die Söhne des Aigyptos, töteten. Zur Strafe wurden Sie verpflichtet, Wasser in ein mit Löchern durchsetztes Fass schöpfen. Daraus entstand dann das geflügelte Wort der Danaidenarbeit, unter der man eine mühselige und sinnlose Arbeit versteht. (Anm. Ed. Hagia Sophia)
3Ein Gemeinplatz ist eine abwertend gemeinte Bezeichnung für eine abgedroschene, offensichtlich zutreffende aber nichtssagende Redewendung, bzw. Redensart. (Anm. Ed. Hagia Sophia)
4Eine Dispens (im österr. und im kath. Sprachgebrauch weiblich, in Deutschland in männlicher Form gesprochen) ist die amtliche bzw. kirchliche Befreiung von einem bestimmten Verbot oder Gebot. (Anm. Ed. Hagia Sophia)
3Ein Gemeinplatz ist eine abwertend gemeinte Bezeichnung für eine abgedroschene, offensichtlich zutreffende aber nichtssagende Redewendung, bzw. Redensart. (Anm. Ed. Hagia Sophia)
4Eine Dispens (im österr. und im kath. Sprachgebrauch weiblich, in Deutschland in männlicher Form gesprochen) ist die amtliche bzw. kirchliche Befreiung von einem bestimmten Verbot oder Gebot. (Anm. Ed. Hagia Sophia)