Donnerstag, 6. Januar 2011

Koptisches Weihnachtsfest in Ägypten

Feiern zwischen Trauer, Angst und Trotz

Nicht einmal eine Woche ist es her, dass bei einem Anschlag auf eine Kirche in Alexandria mindestens 23 Menschen getötet wurden. Heute feiern die Kopten ihr Weihnachtsfest - fast überall unter Polizeischutz. Die Angst vor neuen Anschlägen ist immer dabei, der Trotz auch.
Von Linda Staude, ARD-Hörfunkstudio Kairo
"Stille Nacht, heilige Nacht" - das Weihnachtslied, das dünn aus den Lautsprechern eines kleinen Ladens in Kairo ertönt, klingt fast wie eine Beschwörung für die kommenden Feiertage. Das Geschäft im schicken Viertel Zamalek hat sich auf Weihnachtsdekorationen spezialisiert. Normalerweise kommen auch so kurz vor dem Fest noch Käufer, aber jetzt ist der Laden menschenleer. "Bestimmt haben wir weniger Kunden", sagt die Verkäuferin. "Sie sind traurig wegen dem, was in Alexandria passiert ist. Aber für uns hat das die Saison nicht so sehr kaputt gemacht, denn es gab sowieso nicht so viele Käufer. Wegen der wirtschaftlichen Lage können sich nicht alle Leute sowas leisten."
Bis auf den Bürgersteig stehen noch die künstlichen Weihnachtsbäume. Ein beleuchteter Schneemann blinkt vor sich hin. Im Laden hängen Christbaumkugeln, Lichterketten, Girlanden. Die Inhaberin ist Muslimin, aber auch sie ist bestürzt über das Blutbad in Alexandria: "Wir sind wirklich traurig, aber nicht wegen des Geschäfts, sondern wegen unserer koptischen Brüder in Ägypten. Denn wir sind ein einziges Volk vom selben Blut."

Muslime gehen mit in die Kirche

Viele gläubige Muslime wollen heute Abend gemeinsam mit ihren christlichen Freunden in die Kirche gehen - aus Solidarität und zum Schutz vor neuen Anschlägen. Die Vorbereitungen für die Weihnachtsgottesdienste sind in vollem Gange. Der koptische Papst, Schenuda III., hat nach einigem Zögern beschlossen, sie nicht abzusagen: "Wir werden Weihnachten feiern, so Gott will. Denn Christi Geburt ist ein wichtiges Ereignis für uns als Christen. Ich bitte meine Kinder außerdem, sich zu beruhigen. Denn mit Ruhe können alle Probleme gelöst werden."
Den Appell des greisen Kirchenoberhaupts, die Proteste einzustellen, haben nicht alle Mitglieder seiner Gemeinde befolgt. Vereinzelt gehen wütende Christen noch immer auf die Straße. Aber die meisten wollen in der Weihnachtsnacht zum Gottesdienst, wie sonst auch. "Ja, ich werde in die Kirche gehen, egal ob wir sterben werden", sagt etwa Munira. "Christus hat sich für uns mit seinem Blut geopfert. Darum sollen wir hingehen, wir sollen seine Kinder sein."

"Wir sind in Gottes Hand"

Die Angst ist da nach den Warnungen vor neuen Anschlägen und den Listen auf islamistischen Internetseiten mit koptischen Kirchen, die Ziele sein können. Sicher werden einige Gläubige lieber unter sich feiern, in der Sicherheit ihrer eigenen vier Wände. Doch die anderen bekämpfen ihre Furcht mit Trotz - wie die 52-jährige Meriam: "Wir werden in die Kirche gehen, wir haben nichts zu Hause vorbereitet, denn wir sind innerlich traurig. Aber ich werde mit meinen Kindern in die Kirche gehen. Nein, ich habe keine Angst, wir sind in Gottes Hand. Hoffentlich sterben wir als Märtyrer, es ist uns egal."

Gottesdienste unter schwerer Bewachung

Ein fröhliches Weihnachtsfest wird es nicht werden. Die Kirchen werden schwer bewacht. Sprengstoffexperten stehen bereit, Panzerwagen sind an den großen Straßenkreuzungen stationiert. Die Gottesdienste, die normalerweise den ganzen Abend dauern, bis Mitternacht, dürften dieses Jahr kürzer ausfallen - aus Sicherheitsgründen.
Und dann ist da die Trauer über die 23 Toten von Alexandria und die vielen Verletzten, die Weihnachten im Krankenhaus verbringen werden. "Wir fühlen den Schmerzen in uns, wir hören nicht auf zu weinen", sagt zum Beispiel Iman. "Wenn ich fernsehe, dann weine ich über die Opfer. Aber Gott ist bei uns. Wir werden immer an unserer Religion festhalten. Wir werden nie aufgeben."

Quelle: ARD

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