Gütersloh/Düsseldorf Nikolaj Thon ist entrüstet. Wenn man jetzt auf dem sowjetischen Soldatenfriedhof Holte-Stukenbrock (Kreis Gütersloh) die rote Sowjetfahne anbringe, dann sei dies so, also würde man die Kreuze der im Zweiten Weltkrieg gefallenen deutschen Soldaten mit einem Hakenkreuz versehen. Thon, Geschäftsführer der Orthodoxen Kirchen in Deutschland, kann den Fahnenstreit "20 Jahre nach dem Ende des Kommunismus absolut nicht verstehen".
Wie berichtet, soll vom Obelisken des Friedhofs, auf dem 65 000 sowjetische Kriegsgefangene beigesetzt sind, wieder wie 1945 die Sowjetfahne wehen. In den 1950er Jahren war sie entfernt und durch ein orthodoxes Kreuz ersetzt worden. Auf Betreiben des Vereins "Blumen für Stukenbrock" soll der frühere Zustand wiederhergestellt werden.
Dagegen wehrt sich der russisch-orthodoxe Erzbischof Longin. In einem Brief an NRW-Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD) heißt es, dass die Fahne "die Erinnerung an hunderttausend unschuldige Menschen, darunter Priester und Bischöfe, wecken wird, die unter dieser Fahne ihren bestialischen Tod in der Sowjetunion fanden".
Doch bereits im März hatte die Staatskanzlei dem Verein "Blumen für Stukenbrock" mitgeteilt, dass die Änderung "in die Wege geleitet ist". Sie beruft sich darauf, dass es schon zur Zeit der schwarz-gelben Regierung Anläufe gegeben habe, die rote Fahne aufzuziehen und das Kreuz nahe dem Obelisken aufzustellen. Angeblich hat die Orthodoxe Kirche dazu längst ja gesagt. Doch Thon widerspricht: "Eine Zustimmung hat es nie gegeben." Der CDU-Politiker Armin Laschet ("Der Druck der Staatskanzlei ist unverständlich") verlangt deshalb von der Landesregierung, einen "Schlusspunkt" zu setzen.
Regierungssprecher Thomas Breustedt wirft der Union "durchsichtige Stimmungsmache" vor. Die CDU versuche, etwas zu skandalisieren, dem sie vor Jahren selbst zugestimmt habe. Tatsächlich hatte EX-Bauminister Oliver Wittke (CDU) 2006 dem russischen Botschafter geschrieben, er freue sich "sehr, dass der Obelisk nun wieder in seinem ursprünglichen Zustand hergestellt und damit dem Anliegen der wenigen Überlebenden des Gefangenenlagers Stalag 326 VI/K entsprochen werden kann".
Wegen der unklaren Haltung der russisch-orthodoxen Kirchen sei bislang nichts geschehen, heißt es. Auch die NRW-Staatskanzlei will jetzt erst einmal abwarten, ob und wie sich die Kirchen untereinander im Fahnenstreit verständigen.