Bischof Ignatij Brjantschaninow und die orthodoxe Mönchslehre
Die Aussagen von Patriarch Kyrill von Moskau über die russische Invasion der Ukraine haben scharfe Kritik und Unverständnis ausgelöst. Im März bezeichnete der Patriarch die Feinde Russlands sogar als „Kräfte des Bösen“. Dabei sei der Krieg gegen die Ukraine ein „metaphysischer Kampf“. Bei diesem Kampf ginge es um himmlische und höllische Mächte. Das Recht sei auf der Seite des Lichts und der Wahrheit Gottes, das Unrecht aber bei denen, die das nicht akzeptieren würden. Wer sich nicht für die richtige Seite entscheide, der sei ein Feind, eben nicht nur Russlands, sondern auch Gottes.
Doch mit solchen Aussagen übersteigert Patriarch Kyrill den Angriff auf die Ukraine ins Überirdische. Zuletzt ist und bleibt Krieg immer nur ein Angriff auf Menschen, die ermordet und vertrieben werden. Am Ende bleiben Hunger und Not und Elend.
All dies ist niemals Gottes Wille, vielmehr die Verdunklung des Glaubenslichtes, welches Jesu Wort in die Welt gebracht hat und in allen christlichen Kirchen des Ostens wie des Westens täglich im Evangelium offenbart wird.
Was auch der Putin treue Patriarch wissen sollte: Die Feinde Jesu, die Feinde des Glaubens und der Kirche, ja die „Kräfte des Bösen“ werden nicht durch Kriege überwunden, sondern mit jenen Waffen, die Bischof Ignatij Brantschaninow, gemäß der Überlieferung durch alle christliche Jahrhunderte hindurch, in seinem Leben und in seinen Schriften empfohlen hat.
Er und andere heilige Lehrer der russisch-orthodoxen Kirche haben einen wahren Weg der Bekehrung und Umkehr gezeigt: Selbsterkenntnis und Gebet sind die wichtigsten Mittel.
Die folgenden Worte des vorliegenden Buches des russisch-orthodoxen Mönches und Bischofs, des späteren heiligen Ignatij, beschreiben kurz und knapp, worum es geht: Um die Erkenntnis, dass der Mensch umkehren muss, wenn er sein Leben retten will.
Diese Zeilen sind überflüssig für jemand, der aus freien Stücken sündig lebt, der darin allein seine Befriedigung sucht und findet, der dafür das ganze Potenzial seiner Seele und seines Körpers hingibt und ein solches Leben aus den Prinzipien dieser Welt heraus rechtfertigt.
Leben wir nicht in einer Epoche, in der nach Befriedigung gesucht wird? Am liebsten jetzt und sofort. Der moderne Mensch benötigt offensichtlich keine Umkehr, keinen Richtungswechsel, keine Selbsterkenntnis. Es geht ihm um maximalen Gewinn (Besitz) und um maximale Lust. Die vermeintlich erreichte Freiheit wird nicht als Korsett erkannt, in das er sich zwängen lässt. Der moderne Mensch ist in Wirklichkeit seiner eigentlichen Existenz beraubt und läuft einem Phantom hinterher. Weder dem Einzelnen noch gesellschaftlichen Strukturen scheint es wichtig und wertvoll zu sein, in der Nachfolge Christi zu stehen. Zwar wird von allen Seiten das christliche Erbe beschworen, doch vielfach sind damit nur sekundäre Traditionen gemeint.
Der noch junge Mönch Ignatij hat „alle Beschäftigung beiseitegelegt“ und er klagt. Er beweint „die Zerstörung eines unsichtbaren Tempels, von Gott für sichtbaren, erhabensten Gottesdienst geschaffen“, er beweint „den Fall einer geheimnisvollen Stadt, die gnadenhaften Gedanken und Gefühlen zur Heimstätte bestimmt war“; und er beweint „die Gefangenschaft der Seele, des Verstandes und des Herzens, die von der Sünde besiegt worden sind.“ Ignatij sieht sie gefesselt und in „Ketten der Leidenschaften gelegt“, er sieht sie entführt in die Knechtschaft Babylons.
Wer ist der Mann, der das „Klagelied eines Mönchs“ verfasst hat?
Dimitrij Alexandrowitsch Brjantschaninow wurde am 5. Februar 1807 im Gebiet Wologda (Nordwestrussland) geboren. Sein Vater Alexander gehörte einer alten Adelsfamilie an. Seine Mutter Sophia Afanasjewna widmete ihr Leben der Familie, in der es vier Töchter und fünf Söhne gab.
Dimitrij, das älteste der Kinder, lernte früh das Lesen. Im Elternhaus erhielt er eine gediegene Bildung. Als er fünfzehn Jahre alt war, fuhr der Vater mit Dimitrij nach Sankt Petersburg. Hier sollte er eine höhere Schulbildung erhalten. Als sein Vater ihn fragte, was er nach der Ausbildung machen würde, offenbarte ihm sein Sohn, der das einsame, konzentrierte Gebet liebte, Mönch werden zu wollen. Der Vater schenkte diesem Wunsch keine Beachtung.
In Sankt Petersburg studierte der junge Brjantschaninow fortan an der Ingenieurakademie Kriegsingenieurwesen. Dimitrij war der beste Schüler und zeichnete sich durch Bescheidenheit und Frömmigkeit aus. Bei seinen Mitschülern und Lehrern war er beliebt. Mehr als zwei Jahre verbrachte er mit wissenschaftlichen Studien: Chemie, Physik, Geografie, sowie mit Philosophie, Sprachwissenschaften und Literatur. Danach stellte er sich die Frage: „Was bringt die Wissenschaft dem Menschen?“
Dimitrij lernte Mönche des Walaam-Klosters (auf der Insel Walaam im Ladogasee, Karelien) und der Alexander-Nevski-Lavra in St. Petersburg kennen. Diese halfen ihm, zu finden, wonach seine Seele strebte. Unter Anleitung begann er die Werke der hl. Väter zu lesen. Diese Schriften, die tiefgründigen Gespräche mit den Novizen des Klosters und mit dem heiligen Starez Leonid (1768–1841), festigten endgültig in Dimitrijs Herz den Wunsch ins Kloster zu gehen.
Um seinem Ansinnen den rechten Impuls zu geben, beendete er 1826 seine Laufbahn an der Ingenieurakademie im Rang eines Leutnants, um noch im selben Jahr ins Kloster gehen zu können. Doch nicht nur seine Eltern lehnten es kategorisch ab, ihren Segen zu seinem Klostereintritt zu geben. Auch seine Lehrer und andere hochgestellte Persönlichkeiten stellten sich dem Wunsch Dimitrijs entgegen. Er durfte seinen Abschied nicht nehmen, sondern wurde stattdessen zur Festung Dünaburg (Dinaburg, Daugavpils, Lettland) versetzt.
Dimitrij erstarkte in diesem Kampf mit den Mächtigen dieser Welt und gab ein tugendhaftes Beispiel einer unerschütterlichen Männlichkeit, Tapferkeit und eines aufrechten Bekenntnisses. In Dünaburg wurde Brjantschaninow krank, was seine Vorgesetzten letztendlich bewog, den jungen Offizier am 6. November 1827 aus dem Dienst ausscheiden zu lassen.
Dimitrij Alexandrowitsch Brjantschaninow begibt sich in das Alexandro-Swirskij-Kloster (Karelien) zu Starez Leonid und tritt in dieses Kloster ein. Es gehörte der „hesychastischen Erneuerung“ an, die von Paissij Welitschkowski (1722–1794) wiederbelebt worden ist. 1783 gab Nikodemos der Hagiorite in Venedig eine Anthologie mit hesychastischen Schriften, die „Philokalía tōn hierṓn nēptikṓn -Schönheitsliebe der heiligen Achtsamen“, heraus. Hesychasmus (griech. „Ruhe, Stille“), geht auf Johannes Hesychastes zurückgeht. Hesychastische Mönche, insbesondere in den Klöstern auf dem Berg Athos, wiederholten im Geist das Jesusgebet, um mit Gott eins zu werden. Dabei stimmten die Hesychasten ihre Atmung auf den Gebetsrhythmus ab. Das Buch „Aufrichtige Erzählungen eines russischen Pilgers“ (Hrg. Emmanuel Jungclaussen) gibt Aufschluss über diese Lebens- und Gebetsweise, die sich auf das Jesusgebet konzentriert.
Da Starez Leonid in andere Klöster zu gehen hatte, folgte ihm Dimitrij ein Stück seines Weges. So lernte er eine ganze Anzahl von Klöstern kennen. Im Kyrillo-Novojeserskij-Kloster, einer der größten russischen Klosteranlagen, fühlte er sich recht wohl angesichts einer strengen Klosterzucht, die ihm behagte. Doch Dimitrij konnte die Feuchtigkeit in den Gebäuden und das feuchte Klima nicht gut vertragen, da es sich auf seine Gesundheit negativ auswirkte. Er wurde krank, litt unter Fieber und war zuletzt gezwungen, Erholung bei Verwandten zu suchen.
Am 28. Juni 1831 erhielt Dimitrij die Mönchsweihe in der Auferstehungskathedrale von Wologda und den Namen Ignatij (Ignatius von Antiochien). Wenige Tage danach, am 4. Juli desselben Jahres, wurde er von Bischof Stefan zum Mönchsdiakon und am 25. Juli zum Mönchspriester geweiht. Am 28. Mai 1833 wurde er zum Igumen ernannt.
Ende 1833 wurde Ignatij in die russische Hauptstadt Sankt Petersburg berufen, wo ihm am 1. Januar 1834 im Rang eines Archimandriten (Abt) die Leitung des Küstenkloster des Heiligen Sergius (Sergijewa Pustyn) übertragen wurde. Hier errichtete der erst 27-jährige Abt aus der heruntergekommenen Klosteranlage innerhalb von zwei Jahren einen geistlichen Ort, an dem das Mönchtum im inneren wie im äußeren neu aufblühte.
Am 27. Oktober 1857 wurde Ignatij zum Bischof von Stawropol (Nord-Kaukasus) geweiht. Manche Bischöfe erkannten ihn nicht an, da er eine Ausbildung als Ingenieur besaß und damit einen anderen Zugang zur Theologie hatte. Da Bischof Ignatij aus gesundheitlichen Gründen sein Amt nicht mehr ausüben konnte, trat er am 6. August 1861 zurück und begab sich in das Nikolo-Babajewski-Kloster (Bezirk Kostroma). Hier starb er am 30. April 1867. Die russisch-orthodoxe Kirche hat ihn 1988 kanonisiert.
Auf Bischof Ignatij beruft sich der monastische Aufbruch in der russisch-orthodoxen Kirche. Darum nennt man ihn auch den Vater des modernen russischen Mönchtums.
Zweifellos ist Bischof Ignatij neben Igumen Chariton Dunayev (1872–1947) vom Walaam-Kloster einer der große Meister des geistlichen Lebens und des Jesusgebetes. Beide haben in ihrer jeweiligen Zeit wesentlich zum Aufblühen der Orthodoxie in fruchtbarster Weise beigetragen. Von Igumen Chariton besitzen wir eine empfehlenswerte aktuelle Übersetzung seiner „Belehrungen der Heiligen Väter und der erfahrenen Beter“ „Über das Jesusgebet“.
Bereits achtzig Jahre zuvor verfasste Bischof Ignatij zahlreiche Schriften zum Jesusgebet, die als Band 5 der in der Edition-Hagia-Sophia herausgegebenen Reihe „Ausgewählte Schriften von Bischof Ignatij“ unter dem Titel „Über das Gebet“ erscheinen wird.
Doch in den bereits erschienen drei Bänden nimmt die Gebetslehre eine große und immer wiederkehrende Rolle ein. Denn das Gebet ist das A und O des geistlichen Lebens in einem Kloster oder einer Einsiedelei.
Es darf an dieser Stelle auch darauf hingewiesen werden, dass der heilige Ignatij immer wieder auf die Philokalie der heiligen Väter der Nüchternheit verweist. Diese Schrift steht auch deutschsprachigen Lesern zur Verfügung. In 7-jähriger Übersetzungsarbeit hat ein deutscher Kartäuser ein großartiges Werk erstehen lassen, das in 5 Bänden incl. einem Registerband mit 2.566 Seiten zur Verfügung steht. Auch wenn sich die deutsche Ausgabe inhaltlich teilweise von der russischen unterscheidet, da einige Texte entfallen, dafür andere aufgenommen wurden, so handelt es sich hierbei um die wohl einflussreichste und vollständigste Zusammenstellung der orthodoxen mystischen Theologie.
Die deutsche „Philokalie“ kann, wie alle anderen hier bezeichneten Bücher, beim Verlag "Edition Hagia Sophia" erworben werden.
Erster Band: Klagelied eines Mönchs
Der vorliegende erste Band der Reihe „Ausgewählte Schriften des heiligen Ignatij“ soll die wesentlichen Aspekte seines umfangreichen schriftstellerischen Schaffens betrachten: Buße und geistige Umkehr sowie das Gebet als Dialog mit Christus dem Allmächtigen. Ebenso wird die monastische Askese als eine besondere und angemessene Lebensweise vorgestellt, die dem Frommen, demjenigen, der Gott nahe sein will, wie in früheren Zeiten auch heute noch (oder wieder) als geeignet und erstrebenswert erscheint.
Wenn nun der erste Band ausgerechnet den Titel trägt: „Klagelied eines Mönchs“ so braucht sich der Leser nicht beunruhigen zu lassen. Der damalige Novize Dimitrij Alexandrowitsch Brjantschaninow schrieb diesen Text im Jahr 1830 nieder. Dabei handelt es sich um ein poetisches „Klagelied eines Mönchs“, der sich über einen Mitbruder Gedanken macht, der den sündigen Verlockungen erlegen ist. In dieser frühen Arbeit des jungen Mönchs schildert er seine asketischen Erfahrungen. Im Jahr 1866, bereits als Bischof im Ruhestand und kurz vor seinem Tod korrigierte und erweiterte Bischof Ignatij seinen 30 Jahre zuvor entstandene Schrift umfassend.
Der heilige Ignatij lässt sich von den alttestamentlichen Klageliedern des Jeremias inspirieren und bezieht die Wehklage des Propheten auf die gefallene menschliche Seele. Denn sie ist von Sünden und Dämonen gezeichnet und so wie das zum Schandfleck gewordene Jerusalem (Klagelieder 1,17). Der Mensch hat alle Möglichkeiten, alle Freiheiten. Er muss sich jedoch entscheiden. Immer muss er seinen eigensinnigen Weg verlassen; er muss umkehren und Buße tun.
Die Buße ist Ausdruck menschlichen Willens, zugleich und vorzüglich aber Ausdruck des Willens Gottes. Die Buße ist keinesfalls eine menschliche Erfindung; Buße ist ein Geschenk Gottes an die Menschheit. Der Allgütige und Allweise Gott hat dem Menschen die natürliche Fähigkeit zur Buße gegeben: Diese natürliche Fähigkeit wird von Gott hervorgerufen, und nach dem Eintritt in den Gehorsam vor Gott von der Göttlichen Gnade gesegnet; das natürliche Tun verwandelt sich in ein gnadenhaftes, …
Die zweite große Abhandlung des Buches trägt die Überschrift „Über das Gebet“. In beiden hierin vorkommenden Texten gibt es wertvolle Darstellung dieses so wesentlichen Bausteins christlicher Errettung. Sie sind begründet in der Heiligen Schrift und den Lehren der heiligen Kirchenväter.
„Merke auf, der du vor Gott treten und durch beständiges Ausharren im Gebet mit Ihm eins werden möchtest!“ Dazu ist vieles notwendig, über das Bischof Ignatij spricht. Doch merke auf: „Die Seele des Gebets ist die Achtsamkeit. Wie der Leib ohne die Seele tot ist, so ist auch das Gebet ohne die Achtsamkeit tot.“
Zweiter Band: Über den Menschen
Der zweite Band der Schriften von Bischof Ignatij trägt den Titel „Über den Menschen“. Noch vor dem Inhaltsverzeichnis lesen wir auf der ersten Seite des Buches einen Satz, durch den sein Inhalt vorgezeichnet ist:
Unter den Dingen dieses unermesslichen Weltengebäudes sehe ich auch mich – den Menschen. Wer bin ich? Woher und wozu bin ich auf die Erde gelangt? Welches Ziel hat meine Existenz überhaupt? Was sind Ursache und Ziel meines irdischen Lebens, jener im Vergleich zur Ewigkeit so kurzen Reise, die doch für mich selbst so lang und beschwerlich ist?
In drei großen Kapiteln – „Über den Menschen“, „über die Wahrnehmung der Geistwesen mit den Sinnen und mit dem Geist“, „Über den Tod“ – beleuchtet Ignatij die aufkeimenden Fragen, die auch heute den Menschen tagtäglich begegnen.
In seiner systematische Anthropologie „Über den Menschen“, wird die alte christliche Lehre dargestellt, wie sie der heilige Apostels Paulus aufgezeigt hat: heilig werden und ein Tempel des Heiligen Geistes zu sein. Ignatij legt den Schwerpunkt seiner Betrachtungen auf die praktischen Wege hin zu diesem Ziel und lässt die auftretenden Gefahren nicht außer Acht.
Ausgehend von den biblischen Ereignissen der Schöpfungsgeschichte und des Sündenfalls betrachtet der heilige Ignatij das Leben der Menschen auf der Erde als Exil und als Chance zur Umkehr. Diese Umkehr, so sagt er, müssen bereits „hier im irdischen Reich des Weltenfürsten und seiner Heerscharen gefallener Engel“ verwirklicht werden. Dies sei mit dem „kraftvollen Beistand unseres Herrn und Gottes und aller himmlischen Mächte“ möglich.
Den Christen, die diesen Weg nicht gehen wollen, sondern versuchen, hier auf Erden zu leben, als gäbe es keinen Lebensende, und als seien wir frei, alles tun und lassen zu können, um unendlichen Spaß zu haben, schreibt er ins Stammbuch: du bist ein Verbannter aus dem Paradies, – bilde dir nicht ein, irgendeinen Nutzen zu haben, wenn du dir im Diesseits Schätze anhäufst.
Im Kapitel „Über die Wahrnehmung der Geistwesen“ wird erörtert, dass nicht allein unsere Sündhaftigkeit, die dem Sündenfall im Paradies entsprungen ist, unserem Heilsweg entgegenstehen.
Ignatij verbindet damit auch die wegen ihrer Auflehnung gegen Gott aus den Himmeln verbannten „gefallenen Geister“, die wie die Menschen auf die Erde herabgeworfen worden sind.
Ein jeder Christ, der ernsthaft den Weg der Bekehrung, der Umkehr und Reinigung gehen will, wird früher oder später zur Zielscheibe dieser teuflischen Angriffe und ihrer Intrigen werden. Darum rät Ignatij auch dazu, seinen Feind zu kennen, weil man sonst nicht den Sieg davontragen wird?
In dem Kapitel „Über den Tod“ wird thematisiert, was den modernen Menschen die meiste Angst einflößt: der Tod, das eigene Sterben. Das uns vorgegaukelte Idealbild unserer Gesellschaft, der Mensch könne ein scheinbar ewiges Glücklichsein auf Erden erleben, ist so töricht wie falsch. Es ist den Menschen der westlichen Gesellschaften unangenehm, sich mit der Frage zu befassen, was nach dem eigenen Tod kommt.
Die Menschen können sich nichts darunter vorstellen, wenn man ihnen sagt, sollen Schätze für den Himmel sammeln. Ihre Vorstellungswelt bewegt sich ganz irdisch und sie können sich nur begreifen, dass solche himmlischen Schätze weder ihr Portemonnaie füllt noch das Wirtschaftswachstum stärkt. War es jemals notwendiger als heute, endlich die eigene Endlichkeit in den Blick zu nehmen?
Wir alle sind nur kurzfristige Gäste auf Erden! Wir alle müssen sie verlassen! Und jene Stunde ist unbekannt, in der Gott uns aus unserer Gaststätte rufen wird. Verwenden wir doch das irdische Leben zu unserer Vorbereitung für die Ewigkeit – für die selige Ewigkeit. Unser Los in der Ewigkeit liegt in unseren Händen, denn Gott vergilt jedem nach seinen Taten.
Dritter Band: Vermächtnis – an die Asketen von heute
Der Dritte der bisher erschienen Bände der ausgewählten Schriften von Bischof Ignatij Brantschaninow enthält sein bekanntestes Werk: „An die Asketen von heute“. Dieses „Vermächtnis“ von Bischof Ignatij ist eine Gesamtschau der wichtigsten Aspekte der christlichen Askese. Seine Texte fußen auf dem Fundament der patristischen Lehre. Er behält im Auge, dass sich das monastisches und asketisches Leben in der jeweiligen – aktuellen, unserer – Zeit entfalten muss. Ignatij bezeichnet seine Schrift selbst als sein „Vermächtnis“. Er beruft sich dabei auf seine eigenen Erfahrungen als Mönch und Abt und gibt sein wertvolles Erfahrungswissen weiter. Es ist ihm wichtig, den Gottsuchenden und den jungen Asketen den schmalen Pfad des geistlichen Aufstiegs zu Gott aufzuzeigen. Er will ihnen damit mögliche Irrwege ersparen, die den im geistlichen Leben Ungebildeten bevorstehen können.
In 50 Kapiteln gibt er „Ratschläge für die seelische Praxis“ derjenigen, die sich auf den Weg der Umkehr machen wollen. Bereits im Vorwort des Verlags wird darauf hingewiesen, dass dieses Buch geradezu ein Wegweiser für Christen von heute sein kann. „Die kraftvoll-nüchterne Sicht des heiligen Ignatij auf die Welt und auf unsere Aufgabe darin“ seien „für die Seele des Christen von heute“ „Wegweiser“ für die Kämpfe, die es „überhaupt wert sind, ausgefochten zu werden, und wo wir uns in Scheingefechte verwickeln lassen“.
Bischof Ignatij zeigt den Weg auf, wie der „Siegeskranz christlicher Vollkommenheit“ erreicht werden kann. Aber er weiß auch, dass dieses Ziel unerreichbar ist. Doch Etappenziele sind möglich. Das wichtigste: „die Errettung aus göttlicher Gnade“. In seinem eigenen Vorwort zu dem Buch schreibt Bischof Ignatij:
Vermächtnis nenne ich mein Wort der Anleitung zur Errettung der Seele: Wer sich daran macht, seine Anweisungen in die Tat umzusetzen, wird zum Erben dieser geistlichen Schätze. Ich möchte dieses Vermächtnis den geliebten Altvätern und Mitbrüdern zum Geschenk machen, den Asketen unserer heutigen Zeit.
Ignatij gebraucht das Wort vom schmalen und vom breiten Weg und sagt: „Ich wurde vom breiten Weg, der in den ewigen Tod führt, abgebracht und auf den schmalen und entbehrungsreichen Weg geleitet, der zum Leben führt.“ Diesen Weg will er uns schmackhaft machen, trotz aller Düsternis, die seinen Beschreibungen anzumerken sind. „Die Bezeichnung Schmaler Weg birgt einen tiefen Sinn: Dieser Weg enthebt aus dem Irdischen, führt heraus aus der Düsternis der Vergänglichkeit, hinauf zum Himmel, ins Paradies, zu Gott. Dieser Weg stellt uns vor Sein Antlitz, in das unvergängliche Licht zur ewigen Seligkeit.“
Bischof Ignatij notiert im 49. Kapitel das Ziel der Nachfolge Christi, die ein Weg der Buße ist: „Die Buße ist ein Gebot des Evangeliums. Die unmittelbare Folge der Buße wird gemäß dem Evangelium unser Eingehen in das himmlische Königreich sein.“
Machen wir uns auf den Weg – wie es in den „Asketischen Erfahrungen“ heißt:
Meine Seele! Bevor der entscheidende, unvermeidliche
Augenblick des Übergangs in die Zukunft kommt,
trage Sorge für dich selbst!
Komm, hänge dich mit aufrichtiger, beständiger Reue an den Herrn
– durch ein frommes Leben nach Seinen allheiligen Geboten.
Der Herr ist barmherzig, unendlich barmherzig:
Er nimmt alle an, die zu Ihm kommen,
reinigt die Sünden der Sünder,
heilt alte, übelriechende, tödliche Wunden
und schenkt allen, die an Ihn glauben und Ihm gehorchen,
Glückseligkeit.
Betrachte deine irdische Wanderung von Anbeginn,
bedenke die großen Wohltaten, die Gott auf dich ausgegossen hat,
vertraue Ihm dein Schicksal an, strebe danach,
Seinen heiligen Willen in dir aufzurichten,
unterwerfe dich Seinen allwissenden und allweisen Bestimmungen.
Der Apostel sagt:
Gingen wir mit uns selbst ins Gericht,
dann würden wir nicht gerichtet (1 Kor 11,31).