von Wladimir Legojda
Erinnern Sie sich an den berühmten Satz Dostojewskijs: „Da kämpft der Teufel mit Gott, das Schlachtsfeld aber – ist das Menschenherz ...“ (1)? Trotz seiner Offenkundigkeit scheint es mir, daß der Klassiker nicht ganz recht hat. Genauer gesagt, gestatten diese Worte auch ein nur bedingt christliches, wenn nicht gar ein unchristliches Verständnis zu.
Denn Gott kämpft nicht mit dem Teufel. Erstens, weil der Satan bereits besiegt ist, denn der Tod wurde als Folge des in der Welt erschienenen Bösen und der Sünde, mit der Auferstehung Christi ein für allemal vernichtet. (2) Zweitens, ist Gott der Erschaffer des Raumes und der Zeit, des Menschen und der Engel – zu groß und zu mächtig, als daß jemand gegen Ihn kämpfen könnte. Die Schöpfung kann nicht gegen ihren Schöpfer kämpfen, wie ein Mops nicht dazu fähig ist, Rivale eines Elefanten zu werden. Das Christentum ist keine dualistische Religion, die von einem ständigen, seit Anbeginn der Zeit andauernden Kampf zwischen Gut und Böse, den dunklen und den hellen Mächten, Mächten, die gleich stark sind und daher in ständiger Gegnerschaft verharren, ausgeht.
Die Welt des Christen ist kein ewiger dialektischer Kampf der Kräfte Yin und Yang (3). In der von Gott erschaffenen Welt gibt es kein Böses, daher hat das Böse keine eigene Natur. In der Sprache der Philosophie ausgedrückt, ist das Böse nicht unonthologisch. Das Böse ist ein Mangel an Gutem oder ander ausgedrückt, das veränderte Gute. (Vielleicht sagt man aus diesem Grunde auch, daß unsere Nachteile die Fortsetzung unserer Vorteile sind?) Das Böse ist stets der Versuch, am Guten zu parasytieren, das Gute zu verändern. Wie einst die Schlange Adams Frau versuchte, indem sie den ersten Bund zwischen Gott und dem Menschen mit den Worten „Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?“ (4) verfälschte. Die Schlange log, ihre Lüge hatte Erfolg, und mit dem Bruch des Bundes kam das Böse in die Welt. Aber die Schlange kämpfte nicht gegen Gott. Sie kämpfte gegen den Menschen.
Allein die Vorstellung eines Kampfes zwischen Satan und dem Herrn, ist für einen Christen geradezu absurd. Besonders deutlich erkennt man dies im Bericht des heiligen Evangeliums, über die Versuchung Jesu in der Wüste. Als der Teufel Jesus alle Reiche dieser Welt anbot, wenn Er nur niederfallen und ihn anbeten würde, antwortete Christus dem Versucher: „Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5. Mose 6,13): ,Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienenʻ“ (5). In der slawischen Übersetzung des Matthäus-Evangeliums steht es so geschrieben: „Иди за мною, сатано: писано бо есть: Господу Богу твоему поклонишися, и тому единому послужи“ („Geht mir nach, Satan: denn es steht geschrieben: ,Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienenʻ“). Vom linguistischen Standpunkt aus betrachtet, ist der russische Text der exaktere, da der slawische Text eine Lehnübersetzung (6) des Griechischen ist und den Sinn der Aussage verdreht (wörtlich: gehe in die Richtung „mir nach“). Aber in einem gewissen Sinne weist diese sprachliche Ungenauigkeit stärker auf den tatsächlichen Sachverhalt hin – auf die Unmöglichkeit, daß der Teufel Gott versuchen könnte, auf die unvergleichbare „Differenz in den Gewichtsklassen“. Nicht ohne Grund stellten die Bibelwissenschaftler fest, daß Christus während der Versuchung in der Wüste all jene Versuchungen ablehnt, durch welche Eva sich zu ihrer Zeit verführen ließ: die Versuchung des Geistes, der Seele und des Körpers.
Und den zweiten Teil der Aussage („Denn es steht geschrieben: ,Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienenʻ“) kann man nicht nur so deuten, daß Christus kam um Gott zu dienen, sondern auch so, daß der Satan selbst, statt der fruchtlosen Versuche den Heiland zu versuchen, sich Ihm unterwerfen und Ihm dienen soll.
Ich wiederhole: der Teufel kämpft nicht gegen Gott, weil er in diesem Kampf niemals dem Schöpfer gewachsen wäre. Er kann nur gegen uns Menschen kämpfen und uns dabei auch besiegen. Aber wenn wir den Sieger und nicht den Besiegten wählen, dann wird unser Herz, wenn es auf dem Weg zum Guten weiter voranschreitet, sich immer weiter von einem Schlachtsfeld in den Garten Eden verwandeln.
Fußnoten:
(1) Fjodor Michailowitsch Dostojewskij. Die Brüder Karamasoff. Bertelsmann: Gütersloh, 1957, S. 147, (Anm. des Übers.)
(2) So heißt es in der Osterliturgie: „Christus ist auferstanden von den Toten, durch den Tod hat er den Tod zertreten und denen in den Gräbern das Leben geschenkt“. (Anm. des Übers.)
(3) Nach chinesischer Vorstellung sind „Ying-Yang“ die grundlegenden Konstitutionselemente und die Funktionskräfte des Kosmos. […] Ying-Yang ist das polare und gegenseitig ergänzende Prinzip, […] Die Polarität bezeichnet gegenseitige Funktionen, wie z.B. zwischen positiv und negativ, Öffnen und Schließen, zwischen aktiv und passiv und zwischen Härte und Schwachheit, zwischen Sein und Nichtsein Innen und Außen, Himmel und Mensch etc.“ Quelle: Ning Huang. Wie Chinesen denken. Denkphilosophie, Welt- und Menschenbilder in China. Oldenbourg Wissenschaftsverlag: München, 2008, S. 28 (Anm. des Übers.)
(4) 1. Mose 3,1 (Anm. des Übers.)
(5) Mt 4,10, Lk 4,8 (Anm. des Übers.)
(6) Ein Begriff zur Bezeichnung eines zusammengesetzten Begriffes, der nach einem Fremdwort gebildet wurde, und indem beide bzw. alle Bestandteile des Fremdwortes einzeln ins Deutsche übersetzt wurden. (Anm. d. Übers)
(1) Fjodor Michailowitsch Dostojewskij. Die Brüder Karamasoff. Bertelsmann: Gütersloh, 1957, S. 147, (Anm. des Übers.)
(2) So heißt es in der Osterliturgie: „Christus ist auferstanden von den Toten, durch den Tod hat er den Tod zertreten und denen in den Gräbern das Leben geschenkt“. (Anm. des Übers.)
(3) Nach chinesischer Vorstellung sind „Ying-Yang“ die grundlegenden Konstitutionselemente und die Funktionskräfte des Kosmos. […] Ying-Yang ist das polare und gegenseitig ergänzende Prinzip, […] Die Polarität bezeichnet gegenseitige Funktionen, wie z.B. zwischen positiv und negativ, Öffnen und Schließen, zwischen aktiv und passiv und zwischen Härte und Schwachheit, zwischen Sein und Nichtsein Innen und Außen, Himmel und Mensch etc.“ Quelle: Ning Huang. Wie Chinesen denken. Denkphilosophie, Welt- und Menschenbilder in China. Oldenbourg Wissenschaftsverlag: München, 2008, S. 28 (Anm. des Übers.)
(4) 1. Mose 3,1 (Anm. des Übers.)
(5) Mt 4,10, Lk 4,8 (Anm. des Übers.)
(6) Ein Begriff zur Bezeichnung eines zusammengesetzten Begriffes, der nach einem Fremdwort gebildet wurde, und indem beide bzw. alle Bestandteile des Fremdwortes einzeln ins Deutsche übersetzt wurden. (Anm. d. Übers)