Freitag, 29. Oktober 2010

Dionysios Areopagita - ein Neuplatoniker? (Fortsetzung)

von Priester Johannes Nothaas



Vt. Johannes Nothaas (Bildquelle: www.orthpedia.de)

Mit diesem Wort der Tat ist der Kampf gegen den Neuplatonismus und gegen alle Philosophie wie mit einem Paukenschlag eröffnet. Denn ge-rade das Wort „Einung“ mit dem Göttlichen ist auch für den Neuplatoniker der höchste „the-ologische“ Begriff, das Ziel und der Sinn des menschlichen Lebens. Und Dionysios hat die Chuzpe, gerade dieses Wort für das Christentum zu beanspruchen.
Die „Einung“ mit Gott ist jedoch an eine Bedin-gung geknüpft: „wenn unsre Hingabe ebenso unendlich ist wie seine Gnade“ (585 B ). – Wie kann dies verstanden werden, die Hingabe an das „Unkennbare“. Wie soll Hingabe erbracht wer-den, wenn es keine Orientierung dafür gibt?
Sie kann nur geschehen, wenn Gottes Gnade waltet. Seine Gnade und unsre Hingabe sind in einem nicht analysierbaren Zusammenhang ge-stellt. Gottes Wirken im Verborgenen ist ein Mysterium.

Der Mensch kann von sich aus nichts von Gott erfassen:
Es ist überhaupt für uns ein Grundgesetz, dass wir über das Unfasslich-Allumfassende und Unaussprechlich-Geheime der Gottheit nichts anderes aussagen oder auch nur zu denken wa-gen, als was von Gott selbst in den Heiligen Schriften uns offenbart wird“ ( 588 A ).
Wir können über Gott keine Aussagen machen, ja nicht einmal richtig über ihn denken. Nur, weil Gott sich in der Hl. Schrift offenbart hat, können wir von ihm reden und Zeugnis geben. Wiederum ist hier das Reden und Denken von, bzw. über Gott an Seine Offenbarung in der Hl. Schrift ge-bunden. Nicht Erkenntnis, Versenkung oder Ek-stase, sondern seine Offenbarung verbinden uns mit ihm.
Denn Ziel und Gegenstand unseres Suchens ist ja gerade dieses Unkennbare der Gottheit, erha-ben über jedes Wissen und Verstehen, erhaben auch über Nichtwissen, erhaben über Sein, Wer-den, Wesen ....“ ( 588 A ).
Die Vereinbarkeit von „Ziel und Gegenstand unsres Suchens“ mit dem „Unkennbaren der Gottheit“ ist nur möglich, wenn Gott aus seiner Unkennbarkeit heraus auf den Menschen zugeht. So kann man nur reden, wenn Gott kein abstra-ktes Es oder „Eines“ ist, sondern Person. Philosophisches Denken bleibt bei diesem Gegenüber in unkontrollierbaren und instinktfremden Ab-straktionen hängen. Der Christ hingegen tritt an dieser Stelle in einen Dialog mit Gott als Person.
Da dieser Dialog möglich ist, schreibt Diony-sios: „Darum soll unser Suchen auch beim We-senhaft-Umgrenzten sich nicht bescheiden – und doch dürfen wir unsere Augen zum Unzu-gänglichen nur emporheben ....“- weil Gott auf uns zukommt: „soweit ein Strahl der göttlichen Erleuchtung selbst es ist, der aus den Schriften in uns herüberdringt“.- Die Philosophie hat kein personales Gegenüber im Jenseits, sie trifft in der Versenkung dort nur das, was der Mensch sich selbst als Göttliches ausdenkt.
Zum vierten Male folgt in diesem ersten Ab-schnitt des ersten Kapitels der Hinweis, dass sich das Göttliche uns nur enthüllt, wenn wir uns „von den heiligen und durchaus wahrhaften Lehren der Heiligen Schriften uns leiten lassen“.Dieses „Sich Enthüllen“ Gottes geschieht in „liebender Schonung unsrer Unzulänglichkeiten“ ( 588 B Ende ). Die Güte Gottes „hüllt sich für uns in das Gewand des Messbaren, stellt sich für uns im Endlichen dar.“ Um aber jedem Missverständnis der Nähe Gottes in seinem Sich-Herabneigen vorzubeugen, betont Dionysios im Anschluss wieder die Distanz zwischen Gott und dem Menschen:
So wie .... das Einfache dem Gegliederten,das Unbildliche dem Bildlichen unerreichbar bleibt, das Unkörperliche dem Körperlichen unbekannt ist, das Umfassende im Gestalteten nie endgültig zu gestalten wäre, ebenso wahrhaft ....reicht das Unendliche über alles Wesen hinaus, entzieht sich das Unbegrenzte dem Seienden ...“( 588 B ). Diese Distanz des Menschen zu dem „Einen“, dem höchsten Wert der neuplatonischen Philosophie, wird noch einmal betont und für den Logos, was eine Umschreibung für den Gottes-sohn ist, festgehalten : „Es ist über alles Endli-che so erhaben, dass es nur selbst über sich selbst Auskunft geben kann“( 588 B Ende ).
Der zweite Abschnitt des 1. Kapitels beginnt mit zahlreichen Aussagen über die Unzugänglichkeit der Gottheit, die „dem Geschaffenen stets ent-rückt“ ist ( 588 C ). Als Gegenaussage folgt da-rauf sogleich: „Und dennoch – das Gute ist wahr-haftig nicht unmittelbar: es kann durch endliche Wesen anderen endlichen Wesen weitergegeben werden“ ( 588 C gegen Ende ).
 Die gegensätzlichen Aussagen dieses Abschnitts sind kennzeichnend für die Theologie des Areo-pagiten. Da steht auf der einen Seite die absolute Unzugänglichkeit Gottes im unvereinbaren Wi-derspruch zur Aussage, dass Gott „nicht unmittel-bar“ ist und sogar „durch endliche Wesen an an-dere endliche Wesen weitergegeben werden kann.“ Beide Feststellungen sind die beiden stets parallel laufenden Denkweisen in der Theologie der östlichen und orientalischen Christenheit:
:Die negative Theologie lässt den Menschen vor Gott verstummen, weil er nichts von Ihm weiß und wissen kann. Jeder Anlauf auf Gott hin scheitert an der absolut undurchdringlichen schwarzen Wolke, die dem Menschen den Zu-gang versperrt. Allein von dieser Voraussetzung her gäbe es keinen Glauben. - Dass Menschen dennoch an Gott glauben und zu ihm beten kön-nen, liegt daran, dass Gott vom Jenseits her die schwarze Wolke durchdringt und so den Men-schen die Begegnung mit Ihm ermöglicht. Aus dieser folgt dann, dass der Mensch ein Zeugnis über dieses Geschehen ablegen kann, das positive Theologie genannt wird. Aber auch in der Begegnung des Menschen mit dem sich of-fenbarenden Gott, ist Er verborgen und unbe-greiflich. Gott nach seinem Wesen bleibt nach wie vor unzugänglich. Wenn Er dem Menschen begegnet, sich ihm offenbart, dann in Gestalt seiner Energien, wie es der heilige Gregor Pala-mas formuliert hat. Er begegnet dem Menschen in einer Form, die diesen nicht vernichtet, was bei einer Begegnung mit seinem Wesen gesche-hen würde. – Genau diesen Sachverhalt schildert Dionysios im 2. Abschnitt des 1. Kapitels seiner Schrift über die Namen Gottes. Gott „lässt den Strahl hervorleuchten, ...und in seiner Güte verwandelt er diesen Strahl in natürlichen Glanz, welcher den einzelnen endlichen Wesen ent-spricht.“ ( 588 C Ende ).
So weit kommt Gott den Menschen entgegen und nähert sich ihnen in einer ihnen verträglichen Art . Ja, Er nähert sich ihnen nicht nur, sondern holt sie auch noch zu sich heran: Er „hebt die vom Heiligen Geist Getroffenen nach ihrer Möglich-keit zu sich empor, gewährt ihnen eine Schau seines Abglanzes, schenkt ihnen Gemeinschaft mit diesem Abglanz und leitet sie an, ihn mög-lichst nachzubilden. So wird geheiligten Geistern auf erlaubte und heilige Weise eine Berührung des Unendlichen zuteil ....“( 588 D ).
War im 2. Abschnitt dieses Kapitels von der Ini-tiative Gottes bei der Begegnung mit dem Men-schen die Rede, so wird jetzt im 3. Abschnitt von der Initiative des gläubigen Menschen gehandelt. „Wir wollen das über Verstand und Wesen Erha-bene und Verborgene der Urgottheit ehren durch bescheidenes Schweigen vor dem Unaussprechli-chen und mit heiligen, auf volle Erforschung ver-zichtenden Akten der Ehrfurcht“ ( 589 A Ende ).- Hat im 2. Abschnitt Gott uns zu sich erhoben, so schildert jetzt der 3. Abschnitt, wie sich die Men-schen zu Gott erheben:„So erheben wir uns zu den aus der Heiligen Schrift auf uns hernieder-leuchtenden Lichtstrahlen. ... Es ist ein überwelt-liches Licht, mit welchem wir da erfüllt werden, von jenseits des Alls kommend, ....verwandelt es uns.“ Auch der Mensch ist in der Begegnung mit Gott gefordert:
- zum Schweigen,
- seinen Forscherdrang einzuschränken,
  • Gott in der Schrift zu suchen ( 588 B ).
War bisher von Gott immer nur in einer abstra-kten Form die Rede mit Ausdrücken wie. das Gute, die Urgottheit, der Urgrund, so ändert sich jetzt die Ausdrucksweise. Gott wird jetzt als Per-son angeredet:„so dürfen wir ... Ihm danken,dass Er selbst es über sich selbst in den Heiligen Schriften uns hat vermitteln wollen“ (589 B Mit- te ).
Im Folgenden ist dann die Rede von Unheiligen, Gefallenen, von Heiligen, für die Gott als Person der Retter und Helfer ist. Gott ist nicht mehr als ein Abstraktum erwähnt, sondern als „Er“, als in Person Handelnder. Die Gedankenführung des Abschnitts spitzt sich jedoch noch weiter zu, wenn es da heißt: „Er ist die innere Einfachheit, und die innere Einheit für alle, denen bis zum
Einen vorzudringen verstattet ist“( 589 C ).
An dieser Stelle wird ganz deutlich wie sich der Christ Dionysios gegen den Neuplatonismus ab-grenzt. Nicht „das Eine – die Einheit – die Ein-fachheit „ diese abstrakten Begrifflichkeiten, sind das letzte und höchste Gut, sondern Er, der Gott der Christen, Er, der personale Gott, mit dem wir reden können, der sich uns Menschen in klaren Worten offenbart: „So ist Er auch gütige Mittei-lung des Verborgenen ... ohne entheiligt zu wer-den.“ ( 589 C Ende ) Hier bezeugt Dionysios:
Der lebendige, personale Gott kann nicht durch
nichtpersonale Gedankengebilde ersetzt werden.
Für den Christen ist der höchste Wert die Per-son.
Die entscheidende Aussage dieser Darlegung ist, dass wahre Einung nur mit einer Person geschehen kann, nicht mit Begriffen, und zwar nur durch eine Offenbarung von Gott her.




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