AUSZÜGE TEIL II.
Aus der Lebensbeschreibung von Priestermärtyrer Aleksandr (Parusnikov)
„Während der Untersuchungen wurde Erzpriester Aleksandr auf der Polizeistelle von Ramenskoe in Untersuchungshaft gehalten. Bei der Polizei war ein gewisser Plotnikov bedienstet. Seine Aufgabe bestand unter anderem darin, den Priester zu verhören und ihn zur Sauna zu führen. Einen Tag, bevor der Saunabesuch stattfinden sollte, suchte er zu später Nachtstunde Aleksandra Ivanovna auf und sagte: ‚Morgen werde ich Ihren Mann begleiten. Kommen Sie zur Brücke und verstecken Sie sich unter ihr. Ich werde ihn zu Ihnen führen.’
Aleksandra Ivanovna nahm saubere Wäsche und etwas Essen mit. Sie rechnete damit, ihren Mann mit ausgeschlagen Zähnen wieder zu sehen.
Vater Aleksandr saß mit seiner Frau unter der Brücke bis der Polizist kam und sie unterbrach: ‚Entschuldigen Sie mich, Batjushka, es ist nun Zeit, zu gehen.’ Sie verabschiedeten sich voneinander und man führte den Priester Aleksandr in die Sauna, während die Priesterfrau nach Hause ging.
Aus dem Gefängnis schrieb Vater Aleksandr auf Zigarettenpapier ein paar Briefe, die ein freigelassener Inhaftierter im Absatz nach draußen schmuggelte. Der Priester schrieb seiner Frau und seinen Kindern:
‚Meine Kinder, ich [...] drücke euch alle ans Herz. Liebt einander. Achtet die Älteren, kümmert euch um die Jüngeren. Sorgt euch mit allen Kräften um eure Mutter. Gott segne euch!‘
‚Liebe Sasha1, danke, dass du mir soviel Glück bereitet hast. Weine nicht über mich. Es ist Gottes Wille.‘
‚Mein lieber Serezha2, leb wohl. Du wirst von nun an meinen Platz ausfüllen. Ich bitte dich, verlasse nicht die Mutter, die Brüder und Schwestern. Segne Gott durch Erfolg alle deine Taten! Ich sehne mich zu Tode nach euch. Nochmals, lebt wohl!‘
Erzpriester Aleksandr Parusnikov. Taganskaja-Gefängnis Moskau,1938 |
Ende Mai wurde die Untersuchung abgeschlossen. In einem Konvoi brachte man Vater Aleksandr zum Bahnhof. Seine Tochter Tat`jana spielte gerade mit den Kindern auf der Straße. Als sie sah, dass ihr Vater abgeführt wurde, lief sie herbei, umarmte ihn und spürte durch das Gewand, wie er im Gefängnis abgemagert war. Der Vater legte ihr die Hand auf den Kopf und sagte freundlich: ‚Tanjushka, wie du nur groß geworden bist!’ Doch dann jagte der Anführer des Konvois das Mädchen weg. Es rannte zu seiner Mutter und berichtete ihr, den Vater gesehen zu haben. Aleksandra Ivanovna lief sofort aus dem Haus und holte den Konvoi mit ihrem Mann ein. Zusammen mit den Fahrgästen bestieg sie den Bahnwagon. Sogleich kam ein Polizist in den Wagon, machte in einem Coupé Platz für den Priester und setzte sich selbst dazu. Aleksandra Ivanovna durfte hinter ihrem Mann sitzen. Auf der Hälfte der Fahrt erlaubte ihr der Anführer des Konvois, sich neben Vater Aleksandr zu setzen; so konnten sie noch über Vieles sprechen. Das war ihr letztes Beisammensein.
Am 2. Juni 1938 verurteilte eine Troika des NKVD Vater Aleksandr zum Tod durch Erschießen. Er war zu diesem Zeitpunkt im Taganka-Gefängnis3 in Moskau inhaftiert. Gemäß den Bestimmungen für den Scharfrichter fotografierte man ihn. Auf diese Weise wollte man sicherstellen, dass das Urteil bei der Vielzahl der Gefangenen am Richtigen vollstreckt werde. Erzpriester Aleksandr Parusnikov wurde am 27. Juni 1938 erschossen und in einem unbekannten Grab am Schießplatz Butovo bei Moskau beigesetzt.“ (Wir gerieten in Feuer und Wasser, S. 200f.)
2 Mit Sasha ist Aleksandra, die Ehefrau des Priesters gemeint.
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