Der Heilige Metropolit Filaret von Moskau
„Lehret sie alles das zu bewahren, was Ich euch geboten habe“
Zur Weihe des Tempels im Namen des Heiligen Geistes
(Teil 3 von 4)
Da aber Jesus Christus selbst die natürliche Geburt als ein gleichnishaftes Abbild der geistlichen bezeichnet, ist dann nicht, wie bei der natürlichen Geburt, ebenfalls ein Mutterleib bei der geistlichen Geburt notwendig? Zwar nicht der Ansicht von Nikodemus nach, im buchstäblichen Verständnis des Wortes, sondern vielmehr in einem weit erhabenerem Sinne, welcher dem betreffenden Gegenstand entspricht.
Dieser Vergleich erweist sich durchaus als gerechtfertigt und findet zugleich seine voll angebrachte Lösung, wenn wir sagen, dass der Mutterleib und die Lebensquelle für den neugeborenen Menschen ihm die Kirche Jesu Christi bietet, ebenso, und das ist wahr, wie der geheimnisvoll fruchtbare, wohl von Menschenhand gebaute, aber vom Geist der Gottesgnade erfüllte Tempel dieser Kirche.
Gott hat Seine Kirche in Seinem Wort mit einen reichen gottgemäßen Schatz beschenkt, auf dass es mit ihrer gnadenreichen Lebenskraft vereint, in den Menschen einkehrt, ihn wieder gebiert, neu erbaut und zu einem Gottestempel macht. Muss es deshalb nicht, um den Reichtum sorgfältig zu bewahren, einen würdigen Ort geben, der wie es sich gebührt geschmückt und geweiht, so gut wie möglich, von den ordinären, irdischen Dingen dieser Welt getrennt und unterschieden bleibt? Seht, eben das ist ja der von Menschenhand gestaltete Gottestempel. Da jedoch alle, welche nach dem Heil suchen, das Wort Gottes nötig haben, sollte darum nicht sein reicher Schatz ihnen allen bekannt, allen offen erreichbar und zugänglich sein? Gerade dazu ist doch wiederum der mit Menschenhand erstellte Tempel Gottes bestimmt.
Gott hat Seine göttliche heilsträchtige Gnadenkraft in die kirchlichen Mysterien hinein gegeben, um Sich dadurch den Christen geistlich einzuverleiben. Ihre offenbare Bennennung als Mysterien weist einerseits darauf hin, dass die Gotteskraft in ihnen auf geheime Art und Weise am Wirken ist, sowie andrerseits, dass diese heiligen Gnadenmittel mit ihrer verborgenen Gotteskraft , auf Grund der ihnen gebührenden Ehrfurcht, für jene, die völlig unvorbereitet, der inneren Einstellung wegen ihrer nicht würdig sind, sich als unzulängliche Geheimnisse darstellen. Diese beiden Hinweise treffen sich an einem Punkt, und zwar, in der Überzeugung, dass wir unbedingt einen Tempel benötigen, der für die gottesdienstliche Feier der Mysterien bestimmt und geweiht ist und den die Teilhaber an den Mysterien in Ehrfurcht betreten dürfen, während das zentrale Heiligtum für jene, die ohne besonderen Segen und würdige Vorbereitung zur Kommunion kommen wollen, in der Tat zeitweilig verschlossen ist und noch unzugänglich bleiben muss.
In Sonderheit wird das gerade daran klar, wenn der vergöttlichte Leib unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus, der in seiner gar hohen Würde über alle Himmel erhaben ist, uns im Mysterium der heiligen Kommunion dargereicht wird. Wie sollte es dann möglich sein, dass wir nicht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und Kräften, wie wir sie uns nur vorstellen können, angestrengt danach trachten, um auch Seinen irdischen Aufenthaltsort, sowohl den, der wir sind, wie auch jenen, an dem wir Ihn empfangen, so wenig irdisch als irgend möglich, und zugleich so himmlisch als möglich zu gestalten, was zugleich seine weihevolle Herrlichkeit und unsere demütige Ehrfurcht Ihm gegenüber betrifft?
Diesen jetzt und hier im gegebenen Zusammenhang erwähnten Betrachtungen entsprechend, kann derjenige, der den Tempel errichtet, Trost daraus schöpfen, dass er sein Gott gefälliges Opfer von Ihm angenommen sieht, und zwar um so mehr in der Zuversicht Gnade und Erbarmen zu erlangen, weil das mit Menschenhand errichtete Gotteshaus für eine große Anzahl von nicht mit Menschenhand geschaffenen Tempel zur geistlichen Erbauung und Heiligung dienen wird. Ja, mögen alle die den Tempel betreten eine rechte Weisung empfangen, wie er ihnen zum Nutzen für ihre eigene Einrichtung und Weihe zu einem Gottestempel gereichen kann.
Sind wir im Tempel vom Gotteswort ansprechbar und angesprochen worden, ja, auf solche Weise sogar Empfänger der Gnade geworden, die uns in den heiligen Mysterien angeboten wird und ihr teilhaftig geblieben, dann können wir wohl der Meinung sein, dass wir selber schon Tempel Gottes sind. Und zwar das nicht ganz zu Unrecht. Doch lasst uns zunächst hören, was der Apostel sowohl denen sagt, die durch das Wort des lebendigen Gottes wiedergeboren sind, wie auch denen, welche bereits die Mysterien empfangen haben: „Und ihr selbst, wie lebendige Steine, werdet aufgebaut zu einem geistlichen Tempel“ (1). Er sagt nicht bestätigend, dass ihr bereits zu einem geistlichen Tempel aufgebaut seid, sondern vielmehr auffordernd, euch als einen geistlichen Tempel zu erbauen. Was soll das heißen? Es bedeutet, dass sowohl unter denen die den Tempel regelmäßig besuchen, wie unter jenen, welche an den Mysterien teilnehmen, und zwar vielen von ihnen, der geistliche Tempel noch unvollkommen und unvollendet bleibt, weil es am festen und unerschütterlichen Glauben mangelt. Oder auch aus folgendem Grunde, dass nach der Errichtung, der heilige Tempel an ihnen wieder verunreinigt und eingestürzt ist, weil sie kein heiliges, sondern ein von der Sünde beflecktes und verderbtes Leben geführt haben. Deshalb folgt darauf auch die warnende Mahnung des Gotteswortes: „Wenn Jemand den Tempel Gottes entheiligt, den wird Gott demgemäß zu Grunde gehen lassen“.
Übersetzung: Hierodiakon Prokopij (Kloster des hl. Johannes des Täufers, Essex / England)
Fußnoten:
(1) 1. Petr. II:5